Wie
hat bei dir das sprühen angefangen?
SIGE: "Durch BEAT STREET habe ich angefangen.
Ein Freund hat zu mir gesagt ob wir nicht bei ihm so einen
neuen Film gucken wollen, er spielt in der Bronx.
Danach kam der Kick, so das ich mir gesagt habe, das was die
anderen machen, darauf hab ich kein Bock. Ich wollte etwas
machen was keiner sonst machte und was auch so ein bißchen
geheimnisvoll war, so etwas wie Graffiti war natürlich das
gefundene Fressen. Da habe ich sofort gesagt, das ist meine
Sache.
Damals habe ich in Steilshoop gelebt. SHANE ist dann später
durch uns dazu gekommen. Mitte `87 hat er angefangen. Unsere
ersten Bilder haben wir bei uns auf der Schule gemalt. Und
natürlich kamen dann alle Lehrer an und meinten das es schlecht
wäre, weil es ja illegal ist, aber eigentlich doch ganz schön
ist. Und dann ist es irgendwie ins positive um geschlagen.
Die ganze positive Kritik war dann der ausschlaggebende Punkt,
das man sich gesagt hat man macht, etwas und keiner weiß wer
es ist, aber sie finden es trotzdem alle gut.
Ein paar Wochen später haben wir dann das nächste Bild dort
gemalt. dann haben wir auch noch andere Leute in Steilshoop
kennen gelernt und später welche aus Brahmfeld. SENE und noch
andere haben wir beim taggen in der Bahn kennengelernt haben.
Die sagten uns dann das immer Donnerstags Writer Korner am
Dammtor Bahnhof ist und ob wir dort nicht auch mal vorbei
schauen wollten. Das war dann so der Zeitpunkt wo wir den
Kontakt zu anderen Sprühern erweitert haben und auch mal über
den Tellerrand geschaut haben."
Wo durch hast du deinen Style gefunden?
SIGE: "Am Anfang, bei der Stunde Null, hat man sich
schon hauptsächlich an den Filmen orientiert. Oder sich an den
Bildern hier in Hamburg orientiert, die ja besser waren als
die eigenen. Später dann kam SUBWAY ART und dann hat man sich
natürlich daran orientiert. Da hat man dann viel experimentiert
aber auch da habe ich schnell gemerkt, daß das nicht das gelbe
vom Ei ist und dann kam SPRAYCAN ART mit den Paris Bildern von
BANDO und MODE 2 und da habe ich gemerkt das ist so die Schiene
auf der ich weitermachen will.
Silberbilder habe ich auch am liebsten gemacht, nur auf Style
achten und nicht mit tausend Farben und aufwendigen Designs.
Nur eine Farbe, Outline und das war es dann.
Paris war die Orientierung die ich gesucht hatte und die ich
dann ja auch gefunden hatte. Es war einfach ein haushoher
Unterschied zwischen München und Paris. München mit seinen
damals schon großen bunten aufwendigen Wänden. Und dann Paris
mit seinen Styles die relativ einfach von den Fill Ins gehalten
waren. Wir waren damals dann auch in Paris. `89 bei der FUTURA
2000 Ausstellung."
Hatten dich auch Züge gereitzt?
SIGE: "Ich glaube in meiner ganzen Laufbahn habe
ich nur 5 oder 6 Züge gemacht.
Ich wollte mich voll auf meinen Style konzentrieren und nicht
mit einem Auge hinter mich gucken und mit dem anderen mein
Bild sehen. Da habe ich mir auch gesagt, das ist mir das ganze
vielleicht auch nicht wert, das ich dafür erwischt werde und
dann etliche tausend Mark Strafe bezahlen muß. Eine Wand war
für mich ein kalkulierbares Risiko als das bomben von Zügen.
`88 kam dann noch die SOKO (Sonderkommision Graffiti) dazu,
vorher gab es nur die Bahnpolizei."
Wie kam es dazu das du irgendwann nicht mehr weiter gemalt
hast?
SIGE: "Graffiti hatte ich 25 Stunden am Tag. Es
war mein einziger Lebensinhalt zu der Zeit. Es gab keinen
Freiraum für andere Sachen. Angefangen hatte ich mit 17. Nach
der Diebsteich Aktion hörte es dann langsam auf für mich.
Während der Schulzeit hatte man keine Probleme oder sorgen,
aber als ich dann älter wurde und die Schule vorbei war machte
man sich schon viele Gedanken über die Zukunft. Dann kam natürlich
auch bei mir die Idee oder der große Wunsch, das ich dann
auch zu den Leuten gehöre, die ihr Hobby zum Beruf machen.
Das ich mit Graffiti soviel Geld verdienen kann das ich mein
Lebensunterhalt damit bestreiten kann.
`89 kamen dann die ersten zaghaften Versuche auf der Auftragsschiene
zu fahren und positive Publicity zu bekommen. Denn zu der
Zeit war alles was mit Graffiti zusammenhing sehr negativ
in den Medien dargestellt. Aber nach den ersten fehlgeschlagenen
Versuchen hatte ich überlegt ob ich nicht die ganze Sache
ganz sterben lasse.
Dann als ich mich entschieden hatte aufzuhören kam natürlich
erst einmal ein riesen Loch. Dann kam die Frage und was mach
ich jetzt, wenn ich mich nicht mehr mit den Sprühern treffe.
Wenn ich am Wochenende nicht mehr malen gehe. Und dann habe
ich wieder versucht Kontakte zu alten Freunden wieder herzustellen.
Dadurch bin ich dann im Grunde wieder in die Schiene rein
gekommen, wo ich am Anfang vom sprühen eigentlich mir gesagt
hatte, so will ich nicht enden. Nun bin ich wahrscheinlich
in den Augen der meisten ein ganz normaler Spießer geworden
der seine Kohle verdient in einem normalen Job verdient."
Kribbelt es die noch manchmal in den Fingern?
SIGE: "Heute denke ich manchmal schon drüber nach,
aber nicht des Geldes wegen sondern der Sache wegen. Aber
das sind meistens nur Gedanken die ich dann doch nicht in
die Tat umsetze. Gemalt habe ich im Grunde, weil ich Spaß
an der Sache hatte, aber als Kunst sehe ich Graffiti natürlich
schon. Es ging mir nun aber nicht darum irgendwelche Botschaften
rüber zubringen.
Wenn ich jetzt wieder 17 wäre würde ich auch wieder zum Graffiti
kommen, aber jetzt mit 25 würde ich nicht wieder damit anfangen.
Das könnte ich nicht mehr Sacko und Schlips in die Ecke schmeißen
und wieder zur Dose greifen."
Wussten deine Eltern was du machst?
SIGE: "Meine Eltern wussten das ich sprühe, aber
ich hab mich damit heraus geredet, das ich eben nur legal
male. Sie haben es akzeptiert, aber sie haben auch zu mir
gesagt, das ich nichts machen soll womit ich mit dem Gesetz
in Konflikt kommen würde."
Hast du dich auch für Hip Hop im allgemeinen interessiert?
SIGE: "Es war nicht so, das ich mir gesagt habe
ich möchte jetzt auch mal Musik machen oder mal ein bißchen
tanzen. Mir ging es in erster Linie um Graffiti. Für mich
war Graffiti, das Ding vom Hip Hop, womit ich mich am besten
identifizieren konnte und wo ich mich am besten mit ausdrücken
konnte. Man hatte eben seine speziellen Stärken es war eben
so bei mir das ich ganz extrem eine Sache gemacht habe, die
aber auch wirklich zum Exzeß.
Das sprühen ist das interessanteste beim Hip Hop. Das ist
wirklich das illegale und dreckige. Da konnte man eben wirklich
mit dem Gesetz in Konflikt kommen. Du warst ja wirklich der,
der tagsüber in die Schule gegangen ist und der nachmittags
zu hause war, gezeichnet hat und abends losgegangen ist und
gemalt hat. Das war wie Dr. JECKL und Mr. HYDE. Musik oder
Break-Dance war mir nicht extrem genug."
Interview: m. reisser |